Kinder vor der Schulfähigkeit brauchen keine einseitige Intellektualisierung. Sie brauchen die aufmerksame Begleitung der Eltern und gut ausgebildeter Pädagogen, die Ihnen Orientierung und individuelle Entwicklungszeit zum Lernen geben. Nur so können sie ihren eigenen Weg finden. In der Waldorfpädagogik für die ersten sechs bis sieben Lebensjahre bzw. in den Waldorfkindergärten gelten insbesondere sieben Kompetenzbereiche als Lern- und Entwicklungsziele:
1. Körper- und Bewegungskompetenz
Die seelische und geistige Befindlichkeit des Menschen korrespondiert mit seiner körperlichen Beweglichkeit, oder anders gesagt, aus einem körperlichen Gleichgewicht heraus kann am besten eine seelische Balance gefunden werden. Im Waldorfkindergarten wird deshalb sehr viel Wert darauf gelegt, Freiraum und Anregung zu schaffen für den Bewegungsdrang und die Spielfreude der Kinder.
Das Kind entwickelt dadurch eine eigene Körperwahrnehmung beim Begreifen sinnvoll durchschaubarer Handlungsabläufe. Es entwickelt durch elementare praktische Erfahrungen seine Grob- und Feinmotorik, erweitert seinen Erfahrungshorizont und aktiviert seine Sprachentwicklung. Ein aktives, vielseitiges Bewegen bereitet auf eine differenzierte Denktätigkeit vor.
2. Sinnes- und Wahrnehmungskompetenz
Um ein waches Bewusstsein für sich und die Welt entwickeln zu können, braucht das Kind Vertrauen in die eigene Wahrnehmungsfähigkeit. Diese wird im Waldorfkindergarten gestärkt, in dem die verschiedenartigen Sinne für ein freudvolles Begreifen und Entdecken der realen Welt, seiner Zusammenhänge und Naturgesetzmäßigkeiten, angesprochen und gepflegt werden.
Erfahrbar wird dies für das Kind über Naturmaterialien, harmonisch abgestimmte Farb- und Formgestaltungen und die jahreszeitlichen Erlebnisse in der Natur. Das ganze Jahr über spielen die Kinder bei jedem Wetter auf dem großzügigen Außengelände unseres Kindergartens und erleben intensiv die Jahreszeiten und die unterschiedlichen Lebensprozesse des Gartens.
Einer der Höhepunkte ist das Ernten im Schulgarten. Hier erleben die Kinder mit Hilfe der Gartenbaulehrer, unter welchen Bedingungen Obst und Gemüse in Demeter-Qualität heranwachsen. Von den Kindern geerntet und, nachdem sie es zuvor auf dem Jahreszeitentisch erfreut hat, wird aus dem Gemüse mit den Kindern eine Erntesuppe zubereitet, die wir mit selbstgebackenem Brot als gemeinsames Festmahl gestalten.
Bis in den Körper hinein erleben die Kinder über diese Sinneswahrnehmungen die Naturprozesse im Jahresrhythmus. Die Kindergartenfeste tragen darüber hinaus dazu bei, sich in einem sozialen Prozess zu begegnen und als Teil des Ganzen fühlen zu können.
3. Sprachkompetenz
Mit der Entfaltung der motorischen Fähigkeit geht in sensibler Weise der Spracherwerb einher. Rhythmische Geschichten, Märchen, Lieder und Reime helfen, über die Freude an der Sprache differenzierte Sprachkompetenzen zu erlangen. Durch die Bewegung des Körpers entsteht Bewegung der Seele und somit der Sprache.
4. Phantasie- und Kreativitätskompetenz
Alles Phantasievolle und Künstlerische weitet die Seele und das Bewusstsein. Ideenreichtum, seelisch-geistige Beweglichkeit und Phantasie ermöglichen dem Menschen, den späteren Anforderungen der Arbeitswelt gewachsen zu sein. In unserem Kindergarten haben die Kinder im täglichen freien Spiel die Möglichkeit, mit Schaffensfreude und Phantasie tätig zu werden. Das wenig ausgestaltete Spielmaterial und das tägliche Malen mit verschiedenen Materialien stärkt die schöpferischen Kräfte.
5. Sozialkompetenz
In dem Orientierung gebenden Lebensraum unseres Kindergartens mit seinem, Sicherheit vermittelnden Tages- und Wochenrhythmus, entwickeln sich die Kinder in einer verlässlichen sozialen Gemeinschaft. Altersgemischte Gruppen in festen Gruppenstrukturen sowie die verbindliche, konstante Betreuung durch die Erzieher/ Innen geben den Kindern einen Schutzraum. Die Kinder lernen und erleben durch gegenseitiges Helfen, Nutzen von eigenem Gestaltungsraum, Konfliktfähigkeit, Verantwortung, Durchtragen von kleinen Aufgaben, Klarheit und immer wiederkehrende, vertrauenschaffende Ordnung.
6. Ethisch-moralische Wertekompetenz
Kinder brauchen Regeln, Rituale, Klarheit und Wahrhaftigkeit. Orientierung und verlässliche, Beziehung gebende Erwachsene, die mit Engagement und Begeisterung die Verantwortung für die Entwicklung der Kinder übernehmen. Durch liebevollen Umgang mit der Natur, Dankbarkeit, Hilfsbereitschaft und Achtung gegenüber den Menschen und der ganzen Schöpfung versucht die Waldorfpädagogik, Werte wie das Gute, Schöne und Wahre zu beleben.